Ein humorvoller Text über das Leben zusammen mit Jesus in einer Wohngemeinschaft.

My personal Jesus


Mein neuer Mitbewohner kam mir gleich etwas merkwürdig vor, denn er guckte immer so traurig, als wäre er down und high zugleich. Aber dabei lächelte er so süß, dass ich ihm das freie Zimmer mit Freuden vermietete. Außerdem kam er mir auch irgendwie bekannt vor – aber ich wusste nicht gleich woher. „Ich bin Jesus.“, sagte er, „Jesus von Nazareth“. Daher also. Ich stand zwar nicht so auf Hardrock, aber das erklärte immerhin die langen Haare und den Bart.

Er war heilfroh, dass er so schnell eine Herberge gefunden hatte. Noch am gleichen Tag zog er bei mir ein, denn er hatte auch gar nicht so viele Möbel. Doch als ich am Abend in sein Zimmer kam, war ich trotzdem etwas überrascht: "Wieso liegt da eigentlich Stroh?", fragte ich ihn. Er erklärte mir, das wäre sein Schlafplatz, das sei er schon von Kind auf so gewohnt. Aber er wolle nachher nochmal los und Krippen kaufen.

Doch zuerst lud er mich zum Abendmahl ein. Es gab aber nur ein bisschen Fisch und Brot und von dem Brot durfte ich nichts abhaben. "Das ist mein Laib", sagte er und verteilte ihn unter den Armen. Doch immerhin hatte er einen silbernen Becher voller Wein, der niemals leer zu werden schien.

Nach einer Weile waren wir lattenstramm und beschlossen, noch ein wenig um die Häuser zu ziehen. Ob er bereits ein paar Freunde in der Stadt hätte, fragte ich ihn. Nein, mit Freunden hätte er in der Vergangenheit mal richtig schlechte Erfahrungen gemacht und auch sein Vater hätte ihn danach eine ganze Weile hängen lassen. Seitdem vertraute er niemanden mehr.

Obwohl es draußen regnete, waren seine Füße erstaunlich trocken, als wir die Kneipe betraten. Jesus machte sich gleich auf den Weg zum Tresen. Dort wiedererweckte er drei Schnapsleichen und bestellte eine Flasche Wasser, die er sogleich in Malteser verwandelte. Er trank die Flasche auf ex und bestellte eine neue. "Aber diesmal ohne Kohlensäure", lallte er und rülpste vernehmlich. Dann kletterte er auf den Tresen und rief: „Jesus liebt Euch alle.“

Ich beeilte mich, ihn da runter zu holen. „Hej Jesus, Mensch, reiß dich zusammen und benimm dich wie ein halbwegs zivilisierter Christenmensch.“ Doch Jesus lachte nur höhnisch: "Religion ist doch ein Witz. Weißt du, wen sich die Christen als Erlöser gesucht haben: einen Juden. Und dabei bin ich eigentlich Buddhist. Aber wegen diesem Unsinn wurde ich jetzt schon 100 mal wiedergeboren und zwar immer als Jesus, weil ich im letzten Leben so gut gewesen bin. Komm du mir also nicht mit Christenmensch, du Heide."

Es war wohl besser, das Gespräch zu beenden und nach Hause zu gehen, denn wenn Jesus etwas über seinen Durst getrunken hatte, wurde er ganz offensichtlich zu einem religiöser Eiferer. Auf dem Heimweg zertrat er ein gutes Dutzend Wahlplakate auf denen stand 'dein Kreuz für die CDU' und fluchte dabei wie ein Bierkutscher, wobei er ganz nebenbei das erste bis vierte Gebot übertrat, welche allesamt sagten, dass man Gott und seine Eltern nicht verfluchen durfte.

"So geht das nicht weiter.", sagte ich, "Du solltest doch eigentlich ein Vorbild sein. Denk doch mal nach: was würde Jesus tun?" "Vermutlich irgendwas saublödes.", sagte Jesus und ging schnurstracks in eine McDonalds-Filiale. Damit hatte ich nicht gerechnet - "Was willst du denn da?" fragte ich verzweifelt. - "Ich bin auf der Suche nach dem jüngsten Gericht.", sagte Jesus und bestellte sich zwölf Hamburger. Genau genommen waren darunter zwei Fishmacs wegen Johannes und Jakobus und ein Cheeseburger für Judas. Aber das machte keinen großen Unterschied, denn schon als er den zweiten gegessen hatte, wurde ihm schlecht. "Der Preis ist billig, aber das Fleisch ist schwach", sagte er angewidert und verließ das Lokal.

Ohne sich umzublicken stürmte er mitten auf die Straße und teilte dabei den Verkehr als wäre er das Rote Meer. Nur dass das Rote Meer nicht so laut hupte und "Verpiss dich, du Arschloch" schrie.

"Wenn ihr mich weiter verfolgt, mit eisernen Wagen,
dann werde ich Euch mit 10 Plagen schlagen.",

rief er und bewarf sie mit den restlichen Hamburgern. Die Fensterputzer an der Ampel hörten kurz auf, die Autoscheiben zu verkratzen und jubelten ihm zu. "Jehova, Jehova" riefen sie und machten sich auf, die frohe Botschaft künftig in Fussgängerzonen und an Wohnungstüren zu verkünden.

Als wir nach Hause kamen, standen sie auch schon vor unserer Tür. Erstaunlicherweise waren sie sogar zu dritt. Und eigentlich standen sie gar nicht, sondern liefen die ganze Zeit im Kreis herum und sangen "Happy birthday to you". Sie spielten Reise nach Jerusalem - doch als sie uns sahen, hörten sie auf zu singen und warfen sich alle gemeinsam auf den Boden.

Dort brannten Räucherstäbchen ab, wobei sie recht myrrisch dreinschauten und gaben Jesus ein Paket After Eights und eine Kiste mit Becks Gold, die sie aus fernen Läden mitgebracht hatten. Dann stellten sie sich vor. Der erste war schwarz und ganz offensichtlich der Caspar der Truppe. Die anderen beiden hießen David und Friedrich und studierten Islamwissenschaft in Hamburg-Ost. Zusammen feierten wir bis zum nächsten Morgen und noch bevor der Hahn dreimal krähte, hatte sich jeder alle Lichter am Weihnachtsbaum ausgeschossen. Aber ich hatte das Christkind gesehen - und es war das schönste und christlichste Weihnachten, dass ich jemals wieder feiern sollte.