Text über das Leben in der Poetry Slam Communty und die Eigenarten von Poetry Slammern.

Dichter dran statt nur dabei


Poetry Slammer sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Individualisten, schließlich handelt es sich (außer bei den wenigen Teams oder Gruppen) ja nicht um einen Mannschaftssport. Es gibt gute Poeten aus allen Regionen und Schichten. Studenten von Sozial- und Sprachwissenschaften sind zwar überproportional vertreten, aber es ist auch nicht verwunderlich, dass sprachlich oder gesellschaftlich interessierte Menschen einen entsprechenden Studiengang gewählt haben. Frauen hingegen sind zahlenmäßig deutlich unterrepräsentiert, was wohl nicht an ihrer Begabung liegt, sondern an irgendwelchen sozialen Gründen, die wiederum die Sozialwissenschaftler erklären könnten.

So unterschiedlich die einzelnen Poeten sind, so sind sie doch recht stark untereinander vernetzt. Das sieht man nicht zuletzt daran, dass beinahe jeder bekannte Slammer zumindest ein Profil bei Facebook betreibt und dort nicht selten hundert Freunde zählen kann. Und tatsächlich kennen sich Slammer untereinander wirklich. Wenn man einmal auf der gleichen Veranstaltung geslammt hat, wird man sich in den meisten Fällen beim nächsten Mal zumindest wiedererkennen.

Für die meisten Slammer beschränkt sich die Vernetzung allerdings auf die eigene Region, da sie nicht regelmäßig reisen können oder wollen. Hier kommt man auch viel öfter zusammen, weil die Zahl der Auftrittsorte begrenzt ist. Je nach Wohnort kann die Region allerdings schnell ein gutes Dutzend regelmäßige Slams umfassen. Umso mehr Veranstaltungen man besucht, desto eher lernt man den harten Kern kennen: die Slammer, die sich immer wieder zu Touren auch zu den entfernteren Bühnen des Landes aufmachen. Je nachdem, wie man rechnen will, sind es etwa hundert Poeten, deren Namen man mehrfach irgendwo gelesen hat und die man unvermeidlicher Weise dann irgendwann selber treffen wird. Von diesen Slammern findet man auch vermehrt Live-Mitschnitte von Auftritten auf deren Webseite oder bei Youtube.

Ein genaues Ranking der wichtigsten und besten Poeten gibt es zwar nicht wirklich, aber es kristallisieren sich doch einige heraus, die beinahe jeder in der Community kennt und respektiert. Ein Maßstab dafür ist der Erfolg, der zumeist gemessen wird, an der Zahl der errungenen Siege und Finalteilnahmen und nicht zuletzt an der Teilnahme und dem Abschneiden bei den alljährlich stattfindenden deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften.

Erfolg ist die wichtigste Währung, um innerhalb des Slamcommunity Achtung zu erlangen. Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, Kontakte zu anderen erfolgreichen Poeten zu knüpfen und zu halten, um Respekt zu erlangen. Einen großen Bonus an Respekt genießen diejenigen, die sich aktiv für den Erfolg des Poetry Slams eingesetzt haben. Dies betrifft insbesondere die aktiven und ehemaligen Slammaster und die alten Haudegen, die bereits von Anfang an dabei gewesen sind.

Dieser Respekt verschafft einem Poeten ein gewisses Standing innerhalb der Szene und teilweise auch beim Publikum. Sein Wort gewinnt an Gewicht, es wird häufiger über ihn geredet und er wird aktiv zu Veranstaltungen eingeladen. Einige schaffen schließlich Auftritte auf professionellen Bühnen oder in den Medien. Tatsächlich leben von Ihren Auftritten können nur die wenigsten Poeten, aber einige, die nebenher ihre Werke veröffentlichen, Veranstaltungen und Workshops organisieren, schaffen es tatsächlich, Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Allerdings wird das Hobby dann auch zum Fulltimejob.

Eine Version dieses Textes ist erschienen in*:
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