Der harte Weg zum Schreiben guter Poetry Slam Texte.

Und ich mach mir 'nen Reim


Ein Slampoet braucht ständig neue Texte, denn schließlich kann man dem Publikum nicht jedes Mal das gleiche erzählen. Reisende Poeten, die auf fremden Bühnen auftreten, haben immerhin den Vorteil, dass sie es doch können, aber mit der Zeit sind auch sie überall gewesen und außerdem wird es auch ihnen langweilig, immer wieder die gleichen Texte vorzutragen. Bei mir sollte es allerdings gute zwei Monate dauern, bis ich mit einer neuen Geschichte aufwarten konnte, was im Wesentlichen daran lag, dass ich viele andere Dinge zu tun hatte und oft auf Reisen war. Nicht umsonst habe ich darum eine Reisegeschichte geschrieben.

Das große Glück, dass mir eine Geschichte zugefallen ist, wie bei meinem ersten Mal, sollte leider keine Gewohnheit werden. Eine weitere Geschichte habe ich später einfach geträumt und andere waren mir ein Anliegen oder beruhten auf wahren Ereignissen. Dies sind meist die besten Geschichten, weil man wirklich etwas zu sagen hat, wobei zu persönliche Texte allerdings oft gefährlich sind. Entweder will der Dichter diese Erlebnisse nicht unbedingt jedermann erzählen oder sie sind für das Publikum eher uninteressant, da solche Berichte für Außenstehende meist nicht so nachvollziehbar sind.

Da ich nicht immer etwas zu schreiben habe, bin ich ständig auf der Suche nach etwas, was ich trotzdem schreiben könnte. Ich sammle also Ideen. Die drängen sich überall auf: Schreib' mal was über den Weltfrieden oder darüber warum, Frauen immer zusammen aufs Klo gehen. Und ich denke mir: Will ich darüber schreiben? Kann ich darüber überhaupt schreiben? Und meist ist die Antwort nein. Es sind die Bilder, die eine solche Idee auslöst. Wenn ich es mir nicht vorstellen kann, wenn mir keine Begriffe oder gar Sätze einfallen, kann ich es nicht schreiben. Ich habe mal einen Drehbuchkurs an der Uni gemacht und die zentrale Lektion war: man braucht erst eine Geschichte und erst dann darf man diese mit Bildern füllen. Bei mir ist es fast immer umgekehrt.

Wenn ich eine Idee aufgreife, schreibe ich alles auf, was mir dazu einfällt: Worte, Satzfragmente, Situationen. Das geht Tage, Wochen, Monate so, bis ich endlich das Gefühl habe, nun könnte ich die Geschichte schreiben. Und dann schreibe ich alles auf, ohne viel nachzudenken, manchmal vier oder fünf Seiten. Erst dann ordne ich das Geschriebene, gruppiere neu und trenne mich von dem, was mir schlecht oder nutzlos erscheint. Am Ende feile ich an jedem Satz und an jedem Wort bis ich zufrieden bin oder zumindest nicht mehr weiß, wie ich es besser machen kann.

Oft denke ich am Ende, dass derart konstruierte Texte technisch sauberer sind, keinen überflüssigen Satz beinhalten und den Handlungsgang entlang einer engen Bahn zwingen. Sie müssen das auch sein, um die Bruchstücke zwischen den einzelnen Teilen zu kitten und müssen viel Kraft in den Formulierungen haben, um zu verbergen, dass sie oft inhaltsarm und vorhersehbar sind. Geschichten, die bereits zu Beginn fertig in meinem Kopf waren, sind eher sanfter aber erzeugen am Ende trotzdem eine dichte Atmosphäre.

Eine Version dieses Textes ist erschienen in*:
- Torsten Wolff: "Slampoet" (E-Book)

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