Erklärung der Regeln und des Ablaufs bei einem Poetry Slam

Was ist ein Poetry Slam?


Die meisten Leser dieses Buches werden vermutlich wissen, was ein Poetry Slam ist, da sie ansonsten nicht auf die Idee gekommen wären, dieses Buch zu lesen. Doch ebenso kann man davon ausgehen, dass die Besucher eines Poetry Slams wissen, um was eine Veranstaltung es sich handelt. Und doch wird auf nahezu jedem Slam noch einmal der Ablauf erklärt, weil es immer wieder einige gibt, die das erste Mal dabei sind.

Bei einem „Poetry Slam“ (oder kurz: „Slam“) treten verschiedene „Poeten“ (auch „Slammer“ oder „Dichter“ genannt) auf und tragen auf der Bühne einen Text vor. Es gibt nur wenige Regeln, an die sich der Vortragende dabei halten muss. Diese variieren zwar leicht auf den unterschiedlichen Veranstaltungsorten, doch üblicherweise gilt:

1. Der Text muss vom Vortragenden selbst verfasst worden sein.
2. Es muss sich im Wesentlichen um gesprochenen Text handeln.
3. Requisiten dürfen nicht verwendet werden.
4. Es gibt ein Zeitlimit für den Vortrag.

Das lässt einen weiten Spielraum für jeden vorgetragenen Text und das Zeitlimit sorgt dafür, dass viele verschiedene Poeten Gelegenheit zum Vortrag haben. Üblicherweise sind es acht bis zwölf Poeten, die sich vor dem Beginn angemeldet haben. Antreten kann jeder, solange es noch freie Plätze gibt, denn der Poetry Slam ist eine offene Veranstaltung. Es gibt nur sehr vereinzelt geschlossene Slamveranstaltungen, zu denen die Teilnehmer gesondert eingeladen werden. Dazu gehören zum Beispiel die alljährlich stattfindenden deutschsprachigen Meisterschaften, die jedes Jahr in einer anderen Stadt durchgeführt werden, und für man sich durch die erfolgreiche Teilnahme an anderen Slams im Vorfeld qualifizieren muss.

Moderiert wird die Veranstaltung vom „Slammaster“. Er leitet die Veranstaltung und ist zugleich der Einheizer für das Publikum, der die Pausen zwischen den einzelnen Beiträgen überbrückt und dabei für einen reibungslosen Ablauf und die Einhaltung der Regeln sorgt. Häufig erzählt auch der Slammaster selbst die erste Geschichte. Dieses so genannte „Opferlamm“ nimmt nicht am eigentlichen Poetry Slam teil, sondern dient zur Einstimmung des Publikums auf den Abend. Zuweilen wird auch ein Poet gebeten, das Opferlamm oder einige andere Darbietungen als Rahmenprogramm vorzutragen. Dieser ist dann der „Featured Poet“ und nimmt selbst nicht am eigentlichen Wettbewerb teil.

Bei einem Poetry Slam werden aber nicht nur die Poeten auf der Bühne gefordert; auch das Publikum hat eine am wahrsten Sinne entscheidende Rolle. Denn der Poetry Slam ist ein Wettkampf, bei dem am Ende einer der Poeten als Sieger hervorgeht und dieser Sieger wird vom Publikum bestimmt. Dabei haben sich zwei Abstimmungsarten durchgesetzt und die meisten Slams verwenden eine dieser beiden Methoden.

Die erste ist wie der Poetry Slam selbst: einfach und direkt. Das gesamte Publikum stimmt per Applaus über jeden Beitrag ab und der Poet mit dem lautesten Applaus gewinnt. Diese Abstimmung mit den Händen, Füßen und Stimmbändern fördert immens die Stimmung, macht es dem Slammaster aber häufig schwer, die Unterschiede zwischen zwei besonders guten Wertungen herauszuhören. Darum wird auf vielen Slams eine „Publikumsjury“ gewählt. Diese besteht aus fünf oder sechs Personen, die der Slammaster aus dem Publikum wählt. Jedes Jurymitglied bewertet stellvertretend für das gesamte Publikum jeden Beitrag mit einer Note, die zwischen einer ehrfürchtigen „10“ und einer erbärmlichen „1“ (manchmal auch „0“) liegt. Selbstverständlich zögert das restliche Publikum nicht, dabei seine Zustimmung oder sein Missfallen gegenüber ihren Stellvertretern laut kundzutun.

Die meisten Slams teilen sich in eine „Vorrunde“ und in eine „Finalrunde“, wobei die besten Poeten aus der Vorrunde im Finale einen zweiten Text erzählen, mit der sie um den Gesamtsieg kämpfen. Der Sieger erhält neben dem Applaus des Publikums und der Anerkennung seiner Kollegen zumeist noch einen kleinen Preis. Häufig ist es eine Flasche alkoholischen Getränks, die noch am gleichen Abend mit den anderen Poeten und dem Publikum geteilt wird.

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