Eine Zusammenfassung meiner Poetry Slam Karriere

Abgerechnet


Mittlerweile ist es nun über ein Jahr her, dass ich das erste Mal auf einer Poetry Slam-Bühne gestanden habe. Es hat zwar eine Menge Überwindung gekostet, mich auf diese Bühne zu trauen, aber am Ende hat es sich oft gelohnt. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich meine Nervosität vor einem Auftritt in den Griff bekommen habe und auch jetzt bleibt immer noch genug Lampenfieber, um einen Auftritt nicht zur Routine werden zu lassen.

Ich habe erfolgreiche und weniger erfolgreiche Auftritte erlebt. Beides ist eindrucksvoll. Wenn das Publikum während des eigenen Auftritts so begeistert ist, dass man kaum mehr dazu kommt, seine Geschichte zuende zu lesen und wenn man am Ende als Sieger des Abends nach Hause gehen kann, ist das ein großartiges Erlebnis. Wenn man es hingegen schafft, mit einer großartigen Geschichte ein begeistertes Publikum zum Schweigen zu bringen, weil es beginnt, sich für den vorgetragenen Text fremdzuschämen, dann lernt man auf die harte Tour, dass die Geschichte wohl doch weit weniger großartig war als gedacht.

Oft war der Poetry Slam allerdings auch frustrierend, so dass ich zeitweise mit dem Gedanken gespielt habe, den Slam an den Nagel zu hängen. Das ist zum Teil meine eigene Schuld gewesen, weil ich oft mit einer Erwartung angetreten bin, die nicht immer erfüllt worden ist. Ich habe eine eigene Vorstellung davon, was ein guter Text ist und ich mag viele meiner Texte, denn ansonsten hätte ich sie nicht geschrieben.

Bei den Texten anderer Poeten war ich oft kritischer. Und einige Texte anderer Poeten fand ich sogar langweilig und banal. Wenn ein solcher Text am Ende ins Finale einzieht, während ich selber mit einer mittelmäßigen Wertung und einem Anstandsapplaus in der Vorrunde ausgeschieden bin, dann blieb mir nur, den Sachverstand der Jury oder meinen eigenen ganz arg in Zweifel zu ziehen.

Solche Abende gibt es, und anstatt es einfach laufen zu lassen, habe ich sie manchmal unnötig schwer genommen. Weil es das berührt, worum es für mich eigentlich geht: Die Anerkennung der eigenen Geschichten. Keine Kniefälle und Standing Ovations und es geht auch nicht um Finalteilnahmen. Doch wenn man das Gefühl hat, dass nicht einer da war, dem die Geschichte gefallen hat, dann kann ein Poetry Slam eine sehr ernüchternde Erfahrung sein. Aus dem gleichen Grund waren es schöne Erlebnisse, wenn ich nach einem Auftritt von einem anderen Poeten oder von einem Zuschauer auf meine Geschichte angesprochen wurde. Jedesmal, wenn sich jemand die Mühe macht, einfach so eine Rückmeldung zu geben, dann vermittelt mir dies das Gefühl, er hat wirklich zugehört und es hat ihm tatsächlich gefallen.

Auch, wenn ich oft eher mein eigenes Ding gemacht habe, habe ich bei den Auftritten viele interessante Leute kennen gelernt. Einige Begegnungen waren nur flüchtig, andere dauern bis heute an und ich freue mich jedes Mal, einige von ihnen wiederzusehen. Darüber hinaus habe ich erfahren, wie freundlich und hilfsbereit die meisten Poeten sind. Viele teilen freigiebig Essen, Getränke, Zigaretten und sogar Geld. Es werden Schlafplätze samt Frühstück und Mitfahrgelegenheiten organisiert. Nicht selten sitzt man nach einem Slam noch stundenlang miteinander und redet, nun ja, über Gott und die Welt. Das ist dann die positive Seite einer „Slamily“.

Ich möchte dieses Kapitel nicht schließen, ohne mich bei allen zu bedanken, die ich während dieser Zeit kennen und schätzen gelernt habe. Bei meinen Freunden und meiner Freundin für all die Rückmeldung, die sie mir gegeben haben und die endlosen Erlebnisberichte, die sie geduldig ertragen haben, wenn sie nicht ohnehin selbst bei den Auftritten dabei gewesen sind. Und bei meinem Bruder außerdem dafür, dass er Geschichten vor dem Papierkorb gerettet hat, die sonst vielleicht verloren gewesen wären.

Eine Version dieses Textes ist erschienen in*:
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