Ein Gedicht über Poetry-Slam mit Anlehnung an zahlreiche Poetry Slammer und deren bekannteste Texte.

Ich bin Slam


Ich bin Kunst. Ich bin true. Ich bin gnadenlos ehrlich.
Ich bin Rock'n Roll. Ich bin dagegen. Ich bin ein Gewinner. Ich bin...
Ich bin hier

Ich bin Smaat, ich bin Hübscher, ich bin Empörung
Ich bin LSD, bin 23, bin totale Zerstörung

Ich bin eine Slammaschine, Textlawine, 'ne Reimruine.
Ich stürm' auf die Bühne, denn das ist Routine
Ein kurzer Blick in die Runde dann werd' ich zum Tier
Für mich existiert Konkurrenz nur auf dem Papier
und ich weiß Menschen mit Mütze, die sind meistens gut
doch ist die Mütze allein zu nichts nütze, denn sonst trüge ja jeder 'nen Hut

Ihr kennt mich alle, denn ich bin heute das erste mal hier
Ich bin nervös. Ich hab Angst, dass ich den Faden verlier'
Ich bin schon so lange dabei, ich bin tierisch erfahren
und dies hier ist meine Abschiedstour, und das schon seit Jahren

Ich bin ein Raubritter, ich bin ein Pirat.
Bin ein Wikinger mit Met-rum im Bart,
Ich bin ein Satzsucher auf Kaperfahrt
Ich bin ... schüchtern, bin ein aalglatter Poser
bin Poesie aus Leidenschaft
bin bin Laden, bin knallharte Prosa, die
Leiden schafft

Ich bin so ... vielseitig,
ich bin schon fast schizophren
- da muss man immer beide Seiten seh'n
Ich bin Slampoet und ich bin das Problem

Denn ich schreib Texte - über Liebe am liebsten,
aber auch über Mißbrauch, über Kummer und Leid
und es gibt immer einen, dem geht das zu weit

Der sagt mir, dass Blut in meinen Texten klebt.
Und das sei nicht gut oder hätt' ich das alles selbst schon erlebt?
Doch wenn es Priester ständig mit Knaben treiben,
Dann hilft da nicht wegsehen und da hilft auch nicht schweigen.
Dann kriegt ihr einen Text in die Fresse, solang' bis ihr lacht.
Solang' bis ihr aufsteht und dagegen was macht

Doch ich bin nicht nur hart, ich bin meist eher - weich
manchmal sagt ihr zurecht: vielleicht etwas seicht,
doch schon im nächsten Moment flute ich den Kanal
Und ergieße lyrische Wogen quer durch den Saal
und besser als Fernsehen bin ich allemal
denn selbst wenn ich seicht bin, bin ich nicht banal.

Ich bin so experimentell wie Zwölftonmusik
Nur eben textuell und in 12 Punkt und ich übe Kritik.
Auch an mir selbst und an dem was mir wiederfuhr
denn früher war ich noch Kunst – heute bin ich Kultur
Und als solche sprech' ich zu Euch, aber ihr nicht mit mir
kaum ist das Mikrofon aus, ist keiner mehr hier
und da muss ich euch dann schon einmal fragen...
habt ihr uns Poeten denn gar nichts zu sagen?

Wovor habt ihr Angst? Dafür gibt's keinen Grund
Ihr streichelt auf der Straße doch auch jeden Hund
warum dann nicht mal 'nen Poeten?

Wenn ihr mich fragtet, warum machst du Slam
dann würde ich sagen, weil ich es kann
Und meinte damit nicht dass ich so gut wär oder gar überlegen
sondern, dass ich es darf, denn dieses Mikro ist offen für jeden.
Ich bin hier

Ich bin für Euch da. Ich bin fertig. - Aber noch nicht jetzt
Ich bin der Anfang. Ich bin das Wort. Ich bin der Text
der euch erlöst, der euch entblößt, der einen kollektiven Orgasmus auslöst
und ich bin auch der Text, der besser nie geschrieben worden wäre.

Doch ich bin David und ich bin Goliath. Ich bin kein toter Poet,
Ich bin ein Großraumdichter, der mitten im Leben steht
'ne Philosophenrunde, bei der sich's ums Kochen dreht
Ich bin Robinson, der am Strand unter Salmen langgeht

und dabei entdeck' ich
ich bin wie die Muschel im Sand
wie das Herz in der Hand
Ich bin schön, - aber dreckig

Und wer mich nicht erkannt hat, der lernt mich jetzt kenn'n
Denn ich bin hier – ich bin der Slam



Eine Version dieses Textes ist erschienen in*:
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