Eine humorvolle Beschreibung wie World of Warcraft im wahren Leben aussieht.
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Spielt jemand von Euch World of Warcraft? - Natürlich nicht, denn sonst wärt Ihr heute abend ja nicht hier.
Heute abend ist schließlich Ulduar daily und außerdem HdZ-Markenrun. Danach Tempel der Stürme und ab drei Uhr Sturmwind-Boss-Raid. - Ihr habt keine Ahnung wovon ich rede, oder?
Also für alle Noobs, Casuals und Nullchecker: World of Warcraft ist das fetteste Online-Rollenspiel ever. Eine riesige Fantasy-Welt, wo man mit seinem Helden rumlaufen kann, wie im wirklichen Leben - nur besser. Mein Hauptheld im Spiel heißt „Arschgesicht“. Den Namen muss man ganz zu Beginn festlegen und kann ihn später leider nicht mehr ändern. Vor vier Jahren fand ich ihn noch ziemlich cool. Aber dafür hat unsere Gilde den absoluten Megachecker-Namen: - „Die Megacheckers“. Also, so eine Gilde, das ist so wie Freunde sein, nur online eben. Und wir spielen auch richtig hardcore ownage: 12 Stunden online minimum – am Wochenende natürlich mehr.
Letzten Freitag war wieder Tausendwinter, wie jede Woche. Alle waren schon im Teamspeak, nur Algrik unser Destroschamane war seit fünf Minuten überfällig. Ohne ihn können wir aber nicht anfangen, weil sonst unsere Damage-Rate total undercrit ist. „Was'n heute daily?“ frage ich, um die Zeit nicht sinnlos zu vertrödeln. In dem Moment kommt Algrik on und sagt „Ich muss meine Schwester abholen“. Es gibt über 8000 Questen im Game und manche haben echt bekloppte Namen. Aber ich kenne sie alle und von der Quest hatte ich noch nie was gehört. Also erst mal: „Lol“. „Nee, IRL. Meine Mutter sagt, ich muss meine Schwester von der Disko abholen.“ IRL – in real live – war das einzige, was unsere Gilde aufhalten konnte. Ingesamt war IRL also ein ständiger Quell von Ärger und Raidabend war damit eh durch, so ganz ohne Destro. Also standen wir mit der ganzen Gilde eine Stunde später vor der Disko.
Am Gate stehen vier Elite-Guards. Eine lange Reihe von Adds steht davor und will rein. Scheinen aber neutral zu sein. Leider hat IRL keine vernünftige Stimmungsanzeige. Ich shape also erst mal in Katzengestalt und spioniere die Area aus. Obwohl ich unsichtbar bin, bringt das etwas Unruhe in die NSCs und einer der Guards wird dadurch auf mich aufmerksam. Man, hat der Aggrorange und offensichtlich megaheavy „Unsichtbarkeit entdecken“. Ich schreie laut „Pull“ und verwandle mich in Bärenform, weil ich da mehr Damage deale. Unser Maintank hat zum Glück auch IRL eine recht massige Statur und geht sofort in Charge. Tatsächlich schafft er es und die Guard geht down und stunned. Ich sofort drauf mit Frenzy und doppelter Prankenangriff.
Aber ansonsten geht alles schief. Unser Destro kommt nicht zu uns durch und aus der hintersten Reihe schreit der Heiler panisch: „Out of mana. No power to heal“. Und ausgerechnet dann kommen auch noch die anderen Guards und einer versucht gleich, mich zu packen. In dem Moment stürmt ein pickliger 13-Jähriger herbei und beisst ihn ins Gemächt. Das war eine echt böse Attacke. Dabei gehört der gar nicht zu uns. Später habe ich erfahren, dass unser Hexenmeister aus irgendeinem Grund seinen Dämonen nicht beschwören konnte. Darum hat er dem Jungen fünf Euro gegeben und mit ewiger Verdammnis gedroht, wenn er nicht gehorcht und angreift. Eine richtige Teufelswache hätte aber mehr ausgehalten. Nach nicht mal einer Minute ist unsere Gruppe komplett down. Unser erster Wipe seit über 5000 Stunden.
Und wir resurrecten nicht wie sonst 10 Sekunden später beim Geistheiler, sondern ein paar Tage später im Krankenhaus. Seitdem ist unsere Gilde nicht mehr ganz die gleiche. Unser Heiler hat ein schweres Trauma und Versagensängste. Bonecrusher darf erst mal nicht mehr spielen, wegen seinem Vater und außerdem hat er Sozialstunden. Und Algrik hat immer noch beide Arme in Gips und bleibt wahrscheinlich Sportinvalide. Also falls hier irgendjemand mit etwas Skill sein sollte – wir suchen derzeit neue Member. Aber 100% online – kein IRL. Meldet Euch am Besten gleich bei Algrik, der steht da irgendwo vorne am Eingang. Ihr werdet ihn schon erkennen, wenn ihr ihn seht.
Eine Version dieses Textes ist erschienen in
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- Torsten Wolff:
"Würde ist ein Konjunktiv"
beim
Blaulicht-Verlag
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