Eine sehr böse Satire zur Flüchtlingsproblematik.

Costa del Sol


Das ist spanisch und heißt: "der Preis der Sonne".

Denn wenn man zuhause das Küchenfenster nach Süden hat, dann scheint einem die Sonne schon morgens beim Frühstück ins Gesicht. Und das soll sie nicht. Aber wenn man versucht, sich auf die andere Seite zu setzen, dann scheint einem die Sonne voll auf das Handy und das ist auch scheiße.

Man kann halt nicht immer auf die andere Seite wechseln, wenn einem mal was nicht passt. Da muss man auch mal die Ruhe bewahren und das aushalten, sonst endet man wie die Menschen, die in ihren Booten vor Lampedusa oder der Costa del Sol zerschellen. Und dann treiben überall Leichen im Meer und da hat ja auch keiner etwas von.
Und letztlich muss ich mir das dann jeden Morgen im Radio anhören. Dabei habe ich selbst schon genug Probleme und wenn die im Radio unbedingt so einen morbiden Trip fahren wollen, dann könnten sie ja wenigstens Amy Winehouse spielen.

Aber ich will mich da gar nicht beschweren, denn ich weiß, auch andere Menschen haben Probleme, weil irgendwo Krieg ist oder weil Android auf ihrem Handy nicht mehr aktualisiert wird oder auch einfach nur, weil sie kein Brot haben. Und natürlich ist das ärgerlich, aber das muss man auch mal ins rechte Verhältnis setzen, denn Millionen Menschen auf der Welt haben kein Brot. Und bevor man sich darüber aufregt, sollte man zuerst mal über den Tellerrand schauen, denn da liegt dann meistens auch das Brot.

Aber das reicht vielen Menschen nicht und die beschweren sich dann auch noch darüber, dass andere Leute kein Brot haben und regen sich auf wegen so einem Scheiß-Brot, das vielleicht einen Euro kostet. Und da verstehe ich nicht, wieso man andere Menschen nerven muss wegen Problemen, die man selber gar nicht hat.

Zumal sich ja nicht einmal die in Afrika darüber beschweren. Und das können die auch gar nicht, weil die da nicht mal Facebook haben. Und die haben kein Facebook, weil sich das für Facebook nicht lohnt, weil da keiner Lust hat, ständig Fotos von leeren Tellern zu posten. Wie man sieht, lösen sich die meisten Probleme von ganz alleine. Und manche Leute finden das zynisch und sagen: „Da treiben schließlich echte Menschen im Wasser“. Und das finde ich widerum zynisch, denn wenn man mit fast absoluter Mehrheit CDU wählt, dann muss man sich doch nicht wundern, wenn das anderswo jemand ausbaden muss.

Und bestimmt ist das alles schlimm, aber da kann man's auch nicht jedem recht machen. Und mal ehrlich: da hat doch heute keiner einen Gedanken an Afrika verschwendet. Und wohin fahren denn die jungen Mädchen nach dem Abitur, um was Neues zu sehen? Nach Neuseeland. Heißt ja schon so. Aber doch nicht nach Afrika. Warum auch? Da ist es scheiße heiß und viel zu viel Hunger. Und zu wenig Facebook. Aber da muss man doch nicht ständig mit dem Finger darauf zeigen und anderen das Frühstück verderben. Das ist einfach geschmacklos.

Aber was ich hier mache, ist Jammern auf hohem Niveau – und manche finden: nicht mal das. Und diese Leute sagen, das größte Problem auf der Welt wären Arroganz und Dummheit und schauen mich dabei an, als wäre ich daran Schuld. Und sagen, die Sonne sei doch gar nicht so ein großes Problem. Aber die haben einfach keine Ahnung: In Wahrheit ist sie sogar das größte Problem im Universum. Oder zumindest im Sonnensystem und das Problem ist doch, dass wir in so'nem System leben.

Und das ist ja auch nicht schlimm. Denn sonst würde da irgendjemand was gegen tun. Oder es würde zumindest Listen geben, denn für alles, was wichtig ist, gibt es Listen. Die Menschen machen Einkaufslisten und kaufen das dann. Es gibt Preisportale und Internetforen, wo steht, welches das beste Pokemon ist und es gibt Stiftung Warentest, die Multifunktions-Küchenmaschinen testet. Würde also die Not auf der Welt irgendjemanden wirklich interessieren, dann gäbe es im Spiegel ein Ranking für das „Elend des Monats“ und die Bildzeitung würde uns sagen, dass Social Freezing absolut „in“ ist, Kinderarbeit „out“ und Fliehen aus Syrien ein No-Go.

Und darum ist es gut, dass es das Meer gibt, denn sonst könnte da ja jeder kommen. Aber so genießt man einfach die Zeit dazwischen, bis die nächste Welle kommt. Und trotzdem sagen mir immer wieder Leute, ich solle doch lieber selber mal was tun, als mich ständig nur zu beschweren.

Aber ich beschwere mich ja gar nicht. Denn mein Problem ist die Sonne und da kann man als Einzelner eh nichts tun. Die Afrikaner, die sind ja nicht das Problem; die lassen sich nur nicht entmutigen. Das sind echte Draufgänger. Die kommen immer wieder. So wie Ebbe und Flut. Aber solange die Deiche halten, ist doch alles gut. Und im Radio spielen sie „The sun will always shine on you“. Und wer da glaubt, dass er ohne Schuld ist, der werfe den ersten Schein.

Und manchmal denke ich mir: die Afrikaner, die machen das richtig. Einfach schön raus fahren aufs Mittelmeer. An die Costa del Sol. Die Sonne im Rücken, das Gesicht unter Wasser - und sich einfach mal - treiben lassen.