Eine politisch angehauchte Satire über den bald kommenden Weltuntergang.

Am 14.März ist Weltuntergang


Das britische Versicherungshaus Lloyds bietet Wetten an, bei denen man auf das Datum des Weltuntergangs wetten kann. Doch außer ein paar Engländern, die bekanntlich auf alles wetten und einigen Investmentbankern, die bekanntlich ebenfalls auf alles wetten, sind erstaunlicherweise noch nicht allzu viele Menschen auf diese Wette eingestiegen. Dabei ist das Ende der Welt näher als wir alle glauben und die richtige Frage wäre nicht wann die Welt untergeht, sondern wie.

Nach langer Regierungskrise sagt sich die Region Flamen von der Wallonie los und bildet die Belgische Demokratische Republik. Die Wallonen gründen die Bundesrepublik Belgien und kontern mit der Einführung einer neuen Währung. Flandern führt kurzerhand den Kommunismus ein und zieht einen Graben aus siedendem Frittenfett um die ehemalig gemeinsame Hauptstadt Brüssel. Geert Wilders flieht in einer Nacht und Nebel Aktion mit einer Burka verkleidet in den Süden und beantragt politisches Asyl.

Die Türkei nutzt die Aufregung und erobert unbemerkt Zypern und dann weite Teile der Peloponnes. Erst als sich die Türkei damit zum vollwertigen EU-Mitglied erklärt, werden die europäischen Staaten hellhörig. Guido Westerwelle bevorzugt aber weiterhin den Begriff der „privilegierten Partnerschaft“ und will ergebnisoffen diskutieren.

Die griechische Regierung ist nicht in der Lage, den Angriff zurückzuschlagen, weil sie ihre letzten Kriegsschiffe wegen der Finanzkrise an somalische Piraten und die U-Boote an den Iran verkauft hat. Die FDP wertet den Handel als positives Signal Griechenlands, sich selber aus der Schuldenkrise zu befreien. Der Parteichef wird mit den Worten zitiert: „Na bitte, geht doch.“

Auf Anraten der Bildzeitung sendet Verteidigungsminister zu Guttenberg die Gorch Fock ins Krisengebiet. Ministerpräsident Erdogan gibt sich entrüstet: das Mittelmeer sei vielleicht eine Kloake, aber kein Freudenhaus. Die Türkei tritt wieder aus der EU aus und erklärt ihr stattdessen den Krieg. Die EU läßt mitteilen, sie sei kein Land und deswegen könne man ihr auch nicht den Krieg erklären und verweist auf die Zuständigkeit der Mitgliedsländer. Außerdem sei man gerade auf der Suche nach einer neuen Hauptstadt und hätte für solche Kinkerlitzchen jetzt keine Zeit. EU-Kommissar Günther Oettinger mahnt: „We are all sitting in one boat“.

Die Schweiz, begeistert von soviel Neutralität, tritt ihrerseits spontan der EU bei. Peer Steinbrück lässt im Verteidigungsministerium anfragen, ob Deutschland noch eine Kavallerie besitze, schließlich hätte man ja auch noch Segelboote. Exbundeskanzler Schröder weist auf die besondere historische Verantwortung Deutschlands hin, die eine Kriegsteilnahme in jedem Fall ausschließen würde, selbst dann, wenn die Klingonen die Erde angreifen würden. Er verknüpft diese Aussage mit der Vertrauensfrage. Putin beschimpft Schröder als lupenreinen Demokraten und liefert heimlich Kernbrennstäbe in den Iran.

Befeuert vom Beitritt der Schweizer tritt offene Fremdenfeindlichkeit in Deutschland zu Tage. In München fliegen Steine auf eine norddeutsche Tanzkapelle. „Diese Negermusik können die bei sich im Busch spielen“, zitiert das Münchener Abendblatt einen Augenzeugen. „Und überhaupt wie die aussehen, da merkt man doch gleich, dass die sich nicht integrieren wollen. Aber zahlen sollen wir dann schon für die.“ Ministerpräsident Seehofer distanziert sich halbherzig von solchen Äußerungen und präsentiert Pläne für einen Freistaat Bayern, sollte das Verfassungsgericht nicht endlich den Länderfinanzausgleich kippen.

Angela Merkel versucht hastig, die Wogen zu glätten und beschwört in ihrer Neujahransprache die Erfolge und die Einheit der Bundesrepublik. Durch ein Versehen wird statt dessen die Neujahrsansprache von Helmut Kohl von 1985 ausgestrahlt, was wegen der optischen und sprachlichen Ähnlichkeiten erst zwei Wochen später auffällt. Angela Merkel legt dennoch beleidigt ihre Ämter mit sofortiger Wirkung nieder, da sich Bundespräsident Wulff nicht öffentlich für sie einsetzt. Der hat jedoch andere Sorgen und kann sich nicht entscheiden, ob er Schloß Bellevue in Castle Wulffenstein umbenennen will oder ob Wulffsschanze nicht doch etwas mehr Volksnähe hätte.

Ein überraschender Angriff von iranischen U-Booten, die in der Kieler Bucht auftauchen, nimmt ihm die Entscheidung ab. Die Gorch Fock kann da leider auch nicht helfen. Nebenbei klärt sich immerhin die Frage, ob der Iran wirklich Atomraketen besitzt.

Zahlreiche Nuklearexplosionen in den Hauptstädten Europas, das weder ein Land ist, noch eine Hauptstadt hat, machen plötzlich auch die USA auf die Konflikte in dieser ihnen weitgehend unbekannten Region aufmerksam. Das Pentagon stellt ohne Prüfung der Sachlage fest, dass nur Afghanistan oder der Iran für eine solche Schurkerei in Frage kommen und liegt damit diesmal sogar zur Hälfte richtig. Es kommt zu einem nuklearen Showdown aller Atommächte, die sogar „Zwölf Uhr mittags“ alt aussehen lässt. Wer keine Atomwaffen hat, schickt wenigstens ein paar Soldaten oder Selbstmordattentäter. In der Stratosphäre enttarnen sich klingonische Raumschiffe und schießen auf alles, was aussieht wie der Schauspieler William Shattner.

Der Zentralcomputer des Versicherers Lloyds stellt den erfolgreichen Eintritt des Weltuntergangs und die vollständige Auslöschung der menschlichen Rasse für den 14. März fest und erklärt öffentlich seinen Bankrott aufgrund der sich daraus ergebenden Schadensforderungen. Er irrt sich. In einem abgelegenen Camp im australischen Dschungel finden sich einige Überlebende des Beinahe-Weltuntergangs und bilden die Grundlage für eine neue überlegene menschliche Rasse.



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- Torsten Wolff: "Würde ist ein Konjunktiv" beim Blaulicht-Verlag
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