Wo man für sein Geld noch etwas bekommt

Spielgeld


Neulich war ich mit meiner Oma bei der Bank. Eigentlich ist es gar nicht meine Oma, aber letztlich macht das ja auch keinen Unterschied und außerdem habe ich immer die Hoffnung, dass sie mir zu mehr Seriösität verhilft.

Seit dem Beginn der Krise haben die Banken Probleme, ihr Geld vernünftig anzulegen, weil sie einfach viel zu viel davon haben. Darum habe ich mit Oma einen Termin bei einem Sachbearbeiter einer großen Bank vereinbart.

"Ich würde gerne kurzfristig einen Kredit bei Ihnen aufnehmen. So etwa 200.000 Euro sollten für den Anfang genügen."
"Wofür brauchen Sie das Geld denn?"
"Black Jack", sage ich.
"Ist das der Name Ihrer Firma?"
"Nein, ein Kartenspiel."
"Sie wollen 200.000 Euro von unserer Bank leihen, um damit Karten zu spielen?"
"Das ist im Wesentlichen der Plan."
"Und was ist, wenn Sie dabei Verluste machen?"
"Dagegen sind wir natürlich abgesichert. Meine Oma wird gleichzeitig Roulette spielen, um eventuelle Verluste auszugleichen."
"Ja, aber das ist doch reinstes Casino. Was machen Sie denn, wenn Sie da auch verlieren?"
"Auch das ist bereits geregelt. Alle Verluste werden von einem gemeinsamen Bekannten übernommen."
"Und der ist bereit, für den Schaden zu bürgen?"
"Genau."
"Wie hoch ist denn die Bürgschaftssumme?"
"Praktisch unbegrenzt."
"Welche Sicherheiten hat ihr Bekannter anzubieten?"
"Gar keine. Er befindet sich zur Zeit in Privatinsolvenz."

Der Bankberater schiebt seine Computertastatur zur Seite, was ich als Zeichen nehme, dass es unerwartete Probleme gibt.
"Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?"
"Natürlich nicht. Ich brauche bloß einen klitzekleinen Kredit."
"Wie stellen Sie sich das vor? Sie haben weder ein vernünftiges Geschäftsmodell noch ausreichend Sicherheiten."
"Ein nachvollziehbarer Einwand von Ihrer Seite.", gebe ich zu, "Dann nehme ich stattdessen doch 200 Millionen, damit sollte ich dann in jedem Fall 'too big to fail' sein. Und für das Geschäftsmodell würde ich Ihnen selbstverständlich Lizenzgebühren zahlen."
"Kommt gar nicht in Frage. Ich denke, wir kommen auf diese Weise nicht zusammen."
"Sie sind aber wirklich ein harter Brocken. Dann lassen Sie mal die Hosen runter. Was haben sie denn anzubieten?"

"Ich könnte Ihnen vielleicht ein Sparkonto anbieten."
"Sie wollen also, dass ich IHNEN Geld leihe?"
"So könnte man es nennen, wenn Sie wollen."
"Wofür brauchen Sie das Geld denn?"
"Bitte?"
"Na, ich muss doch wissen, was Sie mit meinem Geld vorhaben. Sie haben mich das ja schließlich auch gefragt. Nicht, dass Sie es am Ende irgendwo verjubeln und ich es dann nicht wieder kriege."

"Einen Augenblick, Junge.", schaltet sich Oma ins Gespräch ein, "So ein Sparkonto ist doch gar keine schlechte Sache. Vielleicht ist wirklich besser, die Geschäfte den Profis zu überlassen, die sich damit auskennen."
"Das klingt sehr vernünftig.", sagt der Bankberater erleichtert.
"Ich gehe doch recht in der Annahme, dass wir mit einem Sparkonto von Ihren jahrzehntelangen Geschäftserfahrungen profitieren?"
"Selbstverständlich. Zur Zeit zahlen wir Ihnen dafür einen effektiven Jahreszins von 0,85%."
"Ich dachte da mehr an Ihre praktischen Erfahrungen und Geschäftsbeziehungen. Sind wir mit unserer Anlage denn auch ganz vorne dabei, wenn es um Konzerne und Diktatoren geht? Sie wissen schon: Reisen zu Gala-Diners, Militärparaden oder Hinrichtungen, Besuche in Arbeitscamps, Textilfabriken und Großplantagen. Waffenmessen. Eben das ganze Drumherum, wo man als Außenstehender sonst keinen richtigen Zugang bekommt."
"Wir sind hier eine seriöse Bank. Vielleicht sollten sie lieber in ein Restaurant oder in ein Reisebüro gehen. Da bekommen Sie vermutlich eher etwas, was Ihren Vorstellungen entspricht."
"Das ist doch endlich mal ein brauchbares Angebot. Und ich dachte schon, Ihre Wirtschaftskompetenz besteht allein darin, uns alle für dumm zu verkaufen.", sagt Oma und steht auf,
    "Komm Junge, lass uns unser Geld lieber dort verbrennen, wo man noch etwas dafür bekommt."





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