Eine Beschreibung der Bedeutung und des Findens von Liebe.

Liebe ist ...


"Liebe ist ... wenn ER den Müll rausbringt" - ich weiß nicht, ob sie noch jemand kennt, jene in schwarz-weiß gehaltenen Comicfiguren, ein Mann und eine Frau, beide nackt und dabei so unschuldig, wie ein Mainzelmännchen, das nach dem Duschen versehentlich sein Handtuch verliert. Sie stehen da, Hand in Hand, schauen den Betrachter treuherzig an und geben dabei ihr Sinnsprüchlein zum Besten. Und das war nicht etwa ein einmaliger Ausrutscher - nein, sie taten es regelmäßig auf Postern, Aufklebern und, wenn ich es recht erinnere, hatte sogar die Bildzeitung einen festen Platz für ihre Weisheiten reserviert. Und vielleicht bringt gerade das uns bereits dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage ein wenig näher.

Liebe ist NICHT, wenn ER den Müll rausbringt. Das ist Pragmatismus, denn einer muss es ja machen, zumindest wenn man nicht leben will, wie auf den Straßen von Neapel. Vielleicht auch Arbeitsteilung, die sich auf archaische Weise darin manifestiert hat, dass sich die Rolle des Mannes im Haushalt darauf beschränkt, Getränkekisten in die Wohnung hinaufzu-schleppen und den Müll herunterzubringen. Getränkekisten rein - Müll raus. So einfach ist das. Das kann jeder Mann verstehen. Das klappt wunderbar.

Liebe ist übrigens auch ... kein romantisches Essen zu zweit. Auch wenn das viele Frauen glauben. Nach dem Essen Wein, leise sanfte Musik, gedämpftes Licht, nein besser gar kein Licht: Kerzen. Tiefgehende Gespräche über (zumindest vorgeblich) gemeinsame Interessen. Das ist nicht Liebe, das ist Berechnung und ganz viel Naivität auf der anderen Seite. Wobei ich die Theorie von der Naivität immer noch nicht ganz glaube. Die Masche ist so billig, so blöd können Frauen gar nicht sein. Aber vielleicht ist die Romantik auch nur eine genetische Schwachstelle bei ihnen, ein sexueller Schlüsselreiz, dem sie einfach nicht widerstehen können.

Liebe ist nicht die Mutterliebe, die sich mit gluckenhafter Fürsorge über ihrem Nachwuchs ausbreitet wie eine dicke Wolldecke, die die Luft zum Atmen knapp hält und eigene Gehversuche zuverlässig unterdrückt. Die sich gerade wegen ihrer Bedingungslosigkeit und Zuverlässigkeit um die Anerkennung bringt, die man ihr allein schon wegen Ihres immensen Aufwands beimessen müsste. Und schon gar nicht ist Liebe Vaterliebe, vorgetragen mit harter Hand: "Glaub mir, das alles geschieht aus reiner Liebe. Mir tut es viel mehr weh als Dir und eines Tages wirst Du für jeden Schlag dankbar sein."

Liebe ist nicht die Nächstenliebe. Denn das wiederum ist lediglich eine schlechte Marketing-Strategie. Wer allen Ernstes beschlossen hat, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, verteilt seine Liebe so gezielt und erwünscht wie eine Postwurfsendung. Und erreicht damit auch so ziemlich die gleiche Klientel. Andererseits ist Liebe auch nicht die Suche nach dem oder der Richtigen. Das ist vielmehr ein schlecht geplantes Experiment; der Versuch, aus einer lächerlich geringen Stichprobe ein belastbares Resultat zu erzielen.

Denn Liebe ist nicht ihre Erfüllung, eine intensive Hormonstörung, die nach etwa sechs Wochen wieder von selbst abklingt und auch nicht das Gegenteil, die verzweifelte Enttäuschung. Einsame Abende allein mit zuviel Bier oder Rotwein, grundlegendem Weltschmerz und regel-mäßigen Kontrollanrufen vom Telefon aufs eigene Handy oder umgekehrt. Doch nur, weil das Telefon nicht klingelt, heißt es nicht, dass es kaputt ist. Dann klingelt es doch: "Ach Du bist's Mama..." - Mutterliebe.

Die Liebe ist nicht die Liebe zur Natur, zum Sport oder zu sonstigen Dingen. Die Liebe ist nicht in Dingen und vor allen Dingen selbst kein Ding. Sie ist nicht Vernunft, nicht Unvernunft, nicht Maß oder messbar, nicht käuflich wie ein Schokoriegel und geht auch nicht durch den Magen. Völlig egal, ob ER kocht oder ob wie üblich SIE es tut. Liebe ist kein Brief, keine selbstgeschriebene Ballade, keine Kraft, keine Enttäuschung, keine bange Erwartung und kein Herzklopfen. Sie ist nicht ein freundliches Wort, ist nicht der Respekt und nicht die Begierde.

Man könnte meinen, es gäbe keine Liebe auf der Welt.

Nein, die Liebe ist nichts von alledem, sie ist alles zusammen. Sie treibt zu Taten an, ohne Tat zu sein. Sie hat keine feste Gestalt, sie ist vielgestalt. Gleichsam wie der Welle-Teilchen-Dualismus, den wir genauso schon in der Schule nie verstanden haben. Liebe ist Welle und Teilchen zugleich. Sie taucht immer da auf, wo wir sie gar nicht vermuten, und deshalb übersehen wir sie auch ständig.

"Liebe ist ... wenn ER den Müll rausbringt"

Liebe ist auch da, wenn ER den Müll NICHT rausbringt. Vielleicht, weil ER einfach gerade keine Lust dazu hat, weil er sich beide Beine gebrochen hat, oder weil einfach kein be-schissener Müll da ist, wenn man gerade einmal welchen braucht.



Eine Version dieses Textes ist erschienen in*:
- Torsten Wolff: "Würde ist ein Konjunktiv" beim Blaulicht-Verlag
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