Das Leben eines Bankers stellt zumeist keine sonderliche Bereicherung dar.

Du Hamster, du


Und da stehst du nun und schaust auf diese Stadt. Schaust aus dem Fenster im 14. Stock und lächelst. Denn du bist ein Gewinner. Du hast es weit gebracht - oder vielmehr: hoch hinaus. Hat sich am Ende also doch gelohnt. All die Überstunden und die Wochenendarbeit, und das ganze Lügen und Verstellen. Und nun drehst du das ganz große Rad. Wie ein kleiner Hamster. Und deine Backenhaare zittern dabei vor Aufregung.

Denn du bist ein Macher. Du hast es einfach gemacht. Du hast es dir einfach gemacht. Jemand winkt mit etwas Geld und einem schicken Büro und du bist einfach losgerannt. Das nennt man wohl Konditionierung. Ohne Sinn und Verstand. Dabei hast du doch Verstand. Aber Sinn? Sind da nicht ein paar Dinge, die du vergessen hast? Zum Beispiel...

Liebe - Bist seit zwanzig Jahren verheiratet. Glücklich, wie du betonst. Nicht nur, weil du es mußt, sondern, weil du es wirklich so meinst. Und wenn du glücklich meinst, meinst du: sieht gut aus und kann gut kochen. Denn das ist sozialer Status und abends immer ein warmes Essen auf dem Tisch. Und - wie läufts im Bett? Da schweigst du verschämt, teils aus Verklemmung, teils weil du ja nicht immer lügen willst.

Doch du bist ein Gewinner und du hast einen krisensicheren Job. Früher wärst du nur "Sachbearbeiter" gewesen, aber heute bist du "Strategical market analysis analyst". Wow, und was tust du da? Versicherungskonditionen berechnen und aus deinem Mund klingt es nicht einmal wie eine Entschuldigung. Und du rechnest gern und du gibst dir alle Mühe, es richtig gut zu machen, denn dann steht am Ende eine fette schwarze Zahl. Und du nennst das: Werte erschaffen.

Und du sagst: "Eine Zahl ist eine Zahl ist eine Zahl." - Und ich sage: "Stimmt! Gut, wo du dich so für Zahlen interessierst, reden wir doch mal über Mathematik.“

Bist du von dieser Welt berührt?
In der sich eins und eins zu zwei addiert,
wo die Tangente sanft den Kreis tangiert.
Die Bach'sche Fugen komponiert.

In der sich ein Fraktal, stets neu gebiert,
sich Endlichkeit im Zahlenraum verliert?
Nein, das hat dich nie interessiert.
Was ist es dann, was dich verführt?

"Mein Auto, mein Haus, mein Boot. - Meins, meins, alles meins" - ich kenne Dreijährige, die haben die Phase schon hinter sich. Dein Haus ist zwar gut versichert, aber noch nicht abbezahlt und dein Boot ist ein Schlauchboot und das liegt noch unausgepackt im Keller. Keine Zeit gehabt und jetzt sind die Kinder wohl auch schon zu alt dafür.

Aber du drehst ja das große Rad und glaubst, damit etwas ungemein Wichtiges zu tun und denkst, dass du mit deinem Rad, mindestens die Welt am Laufen hältst. Und dann brechen Rad und Welt einfach in sich zusammen. Und dann machst du dicke Backen. Kaputt. Heile machen. Damit du weiter laufen kannst, denn du bist natürlich nicht nur ein einfacher Hamster. Du bist ein Rennhamster. Meine Güte, wo willst du denn hin? Und ich frage mich wie weit wirst du gehen?

Und das macht mir dann schon ein wenig Angst, denn deine Ideale hast du meistbietend verkauft und Ethik siehst du absolut wertfrei. Aber es ist ja auch mein Geld, das du da verbrennst und auch meine Welt, die du deinen Marktplatz nennst. Doch dir ist das egal, weil du einfach weiter rennst. Und nicht fragst, wohin. Hauptsache du hast dein Rad, dein Büro, den Computer und die Sekretärin. Und bei der wirst du sogar ab und zu auch mal zum Hasen.

Und du erwartest nun, dass ich dich ernst nehmen soll. Dir dankbar bin und dich bewundere, für das was du tust? Du baust schließlich Finanzimperien auf den Trümmern von Finanzimperien. Und ich soll dich ernst nehmen? Hilfst mit, dass in den Städten riesige Türme aus Stahl entstehen, Batterien von lauter kleinen Hamsterkäfigen und du mittendrin im 14.Stock. Und ich soll dankbar sein? Redest von blühenden Landschaften, hast aber selbst nie eine gesehen. Und dafür soll ich dich bewundern? - Würdest du eine ehrliche Antwort akzeptieren?

Und da stehst du nun und unten liegt diese Stadt. Ganz weit weg. Und du bist ein Gewinner. Kein Wunder, wenn man selbst die Regeln macht. Du sitzt drinnen, in deinem Käfig aus Stahl und Glas und freust dich, dass du es warm und trocken hast. Die Welt ist draußen und du bist drinnen. Die Welt ist draußen und du bist drinnen. Die Welt ist draußen und du bist drinnen. Du bist drinnen, aber du bist draußen. Du Scheiß-Hamster, du.



Eine Version dieses Textes ist erschienen in*:
- Torsten Wolff: "Würde ist ein Konjunktiv" beim Blaulicht-Verlag

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