Ein nicht ganz ernst gemeinter Auftragstext zum Thema Tod
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Wenn Du wüsstest, Du stirbst in der kommenden Nacht, wie würdest Du Deinen letzten Tag gestalten?
Also ehrlich gesagt, ich würde das ziemlich Scheiße finden. Ich bin zwar noch nie gestorben, aber ich habe auch noch nicht allzuviel Gutes darüber gehört. Außerdem habe ich sowieso schon genug andere Probleme. In der Firma geht es drunter und drüber und ich weiß nicht, ob ich in drei Monaten meinen Job noch habe und wie ich dann das Haus abbezahlen soll. Was soll ich denn jetzt noch alles machen? Einen Apfelbaum pflanzen? Damit der mir dann auch noch über den Kopf wächst? Irgendwie habe ich den Eindruck, jeder macht hier was er will. Wahrscheinlich muss ich schon froh sein, dass ich da überhaupt noch gefragt werde. Und meine Antwort lautet: „nein“.
Ist mir auch zu kurzfristig. Das muss man doch in Ruhe planen. Hier noch schnell ein paar Arschlöcher umgebracht und da der ganze Sex, den man schon immer haben wollte. Nicht auszudenken, wenn man dabei in der Hektik durcheinander kommt. Und plötzlich liegt man mit Josef Ackermann im Bett und daneben liegt Nora Tschirner mit einer Axt im Kopf. Nenene, nicht mit mir und schon gar nicht einfach so von jetzt auf gleich.
Und überhaupt: woher weiß ich das eigentlich? Was denn, wenn das gar nicht stimmt? Vielleicht ist das ja alles nur ein großer Irrtum. Na, das gibt dann aber ein Theater am nächsten Morgen. Auf jeden Fall würde ich doch erstmal eine zweite Meinung einholen. Gerade bei sowas Wichtigem wie morgen tot sein, sollte man sich doch sicher sein. Ich habe ja noch nicht mal ein Testament oder einen Organspendeausweis.
Und was heißt eigentlich "kommende Nacht"? Das ist doch völlig ungenau. Wann beginnt denn die Nacht? Ist jetzt schon Nacht? Dann hätte ich zumindest noch morgen den ganzen Tag. Oder ist es jetzt noch Abend? Und ist dann die „kommende Nacht“ die Nacht, die jetzt gleich kommt? Manche sagen ja zu der bevorstehenden Nacht "kommende Nacht" und andere sagen "diese Nacht" und meinen dann mit "kommende Nacht" die Nacht nach dieser Nacht. Zuerst muss man doch mal die Nachtfrage klären. Mit dem Begriff "Tag" ist es ja genauso, besonders wenn man dann auch noch auf solche Schlaumeier trifft, die den Tag um Punkt null Uhr null Minuten und eine Sekunde beginnen. Die eine Sekunde ist dabei für die Oberoberschlaumeier, die darauf bestehen, dass bei null Sekunden ja noch der alte Tag ist. Aber wenn man sich dann um, sagen wir null Uhr fünfzehn und drei Sekunden, verabschiedet und sagt "Na denn, bis morgen", dann hört man "Wieso morgen? Bis heute meinst du" Also echt, das ist doch voll panne. Das kann man zu Silvester so machen. Oder beim Geburtstag. Aber hier geht es ja nicht um Geburtstag - im Gegenteil.
Und was sind überhaupt die Rahmenbedingungen? Werde ich vom Blitz erschlagen oder falle ich einfach nur so tot um? Oder vielleicht bin ich ja auch krank und sterbe qualvoll an meinem Leiden. Dann sollte ich vielleicht besser eine Apotheke ausrauben. Oder ich bringe mich einfach selber um. Das wäre auch mal spannend, ob die Vorhersage dann überhaupt noch eintreffen kann, wenn ich mich einfach vorher umbringe. Ja, was wäre denn dann? Klassisches Paradoxon.
Und was ist mit den anderen? Sterben die auch alle? Ich könnte mir immerhin einiges an Umbringen sparen auf diese Weise. Wahrscheinlich könnte ich dann ohnehin niemanden umbringen, weil das dann ja auch wieder paradox wäre. Und das hat ja auch eine moralische Komponente. Wenn hinterher keiner mehr da ist, dann müsste ich ja auch gar nicht mehr so tun, als ob ich ein guter Mensch wäre, den man gerne in Erinnerung behält. Wenn alle anderen aber überleben, wird es auch mal Zeit, die wichtigste Frage in so einer Situation zu stellen: "Wieso gerade ich?"
Ich glaube, ich nehme den Publikumsjoker und gebe die Frage einfach weiter. Am besten an meinen Nachbarn, der immer sagt: „wenn dein Scheiß-Fahrrad morgen noch im Hausflur steht, dann bist du tot“. Der scheint mir der richtige Experte für diese Frage zu sein. Oder ich überspringe nicht nur die Frage, sondern gleich den ganzen Tag. Haben die in Samoa ja auch gemacht und vielleicht hat jemand dem Präsidenten von Samoa genau die gleiche Scheiß-Frage gestellt. Denn die Frage ist völlig sinnlos. Eigentlich ist alles völlig sinnlos, denn bei allem was man anfängt, muss man sich doch immer überlegen, ob man damit fertig wird, bevor irgendjemand kommt und sagt: „Pech gehabt, morgen bist du tot“.
Und eigentlich macht es auch gar keinen Unterschied, denn wenn ich es mir recht überlege, eigentlich habe ich nie etwas Besonderes oder Aufregendes gemacht. Und hatte es auch nie ernsthaft vor. Warum sollte ich ausgerechnet jetzt damit anfangen? Weil ich morgen tot bin? Eigentlich bin ich doch die ganze Zeit schon tot gewesen. Noch mal schnell in paar Stunden alles nachholen? Was für ein Quatsch. Ohne mich. Ich gehe jetzt gleich schön schlafen und morgen sieht die Welt dann ganz anders aus.
Eine Version dieses Textes ist erschienen in
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:
- Anthologie:
" Heute hier - morgen tot..."
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